#fr2603: Surprise surprise?

Der letzte Protestsamstag der Querdenker*innen in #Freiburg kann als eine kleine Zäsur bezeichnet werden und legt mehrere Dinge, wenn auch nicht überraschend, offen:

Während in der Vergangenheit die Nähe zu rechten Akteur:innen geleugnet und kleingeredet wurde, vollzog „FreiSeinFreiburg“ spätestens am Samstag öffentlich den Schulterschluss mit Rechtsaußen durch die Rede von Ex-AfD’ler Heinrich Fiechtner.

Dieser hetzte auf dem Platz der Alten Synagoge gegen „die Maske als Folterinstrument“ und eine „Einführung der Todesstrafe“ durch die Impfung durch die Hintertür. Nicht nur diese wahnhaften Äußerungen ließen die Zuhörenden lauthals jubeln, sondern auch sein Aufruf, dass dagegen „jeder Widerstand gerechtfertigt“ sei, letztlich „das System gestürzt werden solle“, um zu einem „freien Deutschland, als Krone unter den Völkern“ zu gelangen. Derartig völkisch aufgeladene und aufwiegelnde Reden waren bei den Freiburger Querdenker*innen zuvor nicht zu beobachten. Dass sie dennoch bejubelt wurden, trägt die innen verlaufene Radikalisierung deutlich sichtbar nach außen.

Diese Radikalisierung zeigte sich zudem in der Durchführung der Demonstrationen. Bis vor 2 Wochen wurde eine kooperative Taktik verfolgt und Auflagen weitestgehend umgesetzt, um durch einen ruhigen Verlauf möglichst viele auf die Straße zu bekommen.

Mit fallenden Teilnehmer*innen-Zahlen und der Aussicht auf Lockerungen wurde der ritualisierte Protest zunehmend langweiliger und bedeutungsloser. Um nicht völlig in der Versenkung zu verschwinden (und die von Pferdeentwurmungsmittel und Chlorbleiche betäubten Emotionen wieder anzuregen), wurde am Samstag, dem 19.03., offen zum „Widerstand“ gegen die Maskenpflicht aufgerufen und die Kundgebung anschließend von den Cops, wenn auch zögerlich, aufgelöst.

Dass nun nach #fr2603 die Entsetzung über die „wilden Demos“ groß ist, war so vorhersehbar wie das blamable Auftreten der Cops. Die scheinbar vorherrschende Meinung über das erneute Akzeptieren der Maskenpflicht sagt vieles über die naive bis falsche Einordnung der „Bewegung“ durch Stadt und Polizei, als auch durch die Zivilgesellschaft und der BZ aus.

Während wir bereits letzten Freitag warnten, die Kundgebung werde vermutlich nicht wie gewöhnlich stattfinden und die Gefahr bestehe, dass sich teils aggressive Querdenker*innen frei in der Stadt bewegen, war dies aus Sicht der Stadt und Cops „völlig unvorhersehbar“. Das Geschehen bei #fr1903, die Anmeldung mehrerer Kundgebungen aus der Schwurbelszene entlang der Route bei #fr2603 zu gleichen Uhrzeiten – welche die Stadt trotz offensichtlicher parallelen und einheitlicher Bewerbung nicht(!) in Verbindung bringen konnte. Auch der Hinweis von Malte Wendt in seinem Videostatement, dass man es so wie in Kassel machen würde, hätte auch den letzten Sesselfurzer in den Freiburger Amtstuben aufschrecken lassen müssen.

Wie wir befürchtet und vorhergesagt hatten, wurde die Kundgebung auf dem Platz der Alten Synagoge vom neuen Anmelder Christoph Boldt aus Sankt Peter frühzeitig aufgelöst, woraufhin sich mehrere spontane Demonstrationszüge durch die Innenstadt bildeten. Zeitweise waren die Cops gar nicht mehr zu sehen. Wir können uns an keine linke Demo in Freiburg in den letzten Jahren erinnern, wo die Cops ähnlich agiert haben.

Dass die Cops „nichts machen konnten“ und zu wenige Kräfte zur Verfügung standen, wirkt wie eine billige Ausrede. Ohne staatliche Repression gutzuheißen oder zu fordern, fällt doch auf, dass die Cops bei linken Demos nie unterbesetzt auflaufen oder gar deeskalativ und nachsichtig agieren. Jede Abweichung wird mit Fäusten, Schlagstöcken, Pfefferspray und Ingewahrsamnahmen beantwortet.

Jedoch haben sich die Cops durch ihren planlosen Auftritt nicht nur völlig blamiert, sondern den Querdenker*innen auch ein Gefühl der Überlegenheit und des Erfolgs vermittelt, als diese sich gerade auf dem absteigenden Ast befanden.

Noch ein paar Worte zum bürgerlichen Teil der Bevölkerung: auch die BZ tut überrascht, und berichtet nun kritischer, während monatelang teils undifferenziert berichtet wurde.

Zu Hochzeiten der wöchentlichen Querdenken-Demos regte sich kurz großer Gegenprotest aus der Zivilgesellschaft. Dieser ist nach wenigen größeren Kundgebungen wieder eingeschlafen und den Querdenker*innen wurde die Innenstadt sowie der Platz der Alten Synagoge überlassen. Eine Querfront-Bewegung, die den Schulterschluss zwischen Esoteriker*innen, Rechtspopulist*innen und der „Mitte der Gesellschaft“ erfolgreich vollzogen hat, lässt sich durch einmal Flagge zeigen nicht bekämpfen. Dafür muss kontinuierlich Kante gezeigt werden!

Einzig positiv bleibt festzuhalten, dass der inszenierte „zivile Ungehorsam“, die anschließende szene-interne bundesweite Aufmerksamkeit auf #Freiburg als „widerständige Schwurbelstadt“ und die internationale Mobilisierung keinen pushenden Effekt auf die Zahl der Teilnehmenden hatte. Die Teilnehmer*innenzahl schrumpft von Woche zu Woche – bald stehen sie wieder mit 20 Leuten auf dem Platz der Alten Synagoge.